Evidenz zur Wirkung der Initiative ABC für die psychosoziale Gesundheit

Letztes Änderungsdatum 03.10.2023 - 10:26 Uhr
Inhaltsverzeichnis

Kernaussagen

Die Initiative ABC der psychosozialen Gesundheit junger Menschen orientiert sich inhaltlich und methodisch an dem evidenzbasierten, internationalen Vorbild der Act-Belong-Commit Kampagne. Kernelemente der ABC-Kampagne sind die einfachen, handlungs- und ressourcenorientierten Kernbotschaften und das methodische Konzept des Social Franchising zur Verbreitung von Informationen und Angeboten. Studien zeigen sowohl eine positive Wirkung der Kernbotschaften zur Förderung der psychosozialen Gesundheit, als auch eine positive Wirkung der Methode der Bündnispartnerschaft zur Sensibilisierung für psychosoziale Gesundheit und der intersektoralen Koordination zum Thema psychosoziale Gesundheit. 

Die Kernbotschaften

Die Kernbotschaften des ABC für psychosoziale Gesundheit junger Menschen orientieren sich an jenen der 2008 in Australien implementierten Act-Belong-Commit-Kampagne. Diese bedient sich drei einfacher Kernbotschaften zur Förderung der psychosozialen Gesundheit auf Bevölkerungsebene: 

  • Act/Handeln: Tun Sie etwas.
  • Belong/Dazugehören: Tun Sie etwas mit jemandem.
  • Commit/Sich engagieren: Tun Sie etwas Sinnvolles.

Durch die Betonung von Handlungsspielräumen und Ressourcen soll die psychosoziale Gesundheit auf Bevölkerungsebene gestärkt und das allgemeine Bewusstsein für die Rahmenbedingungen zum Erhalt des Wohlbefindens aller geschärft werden. Die Kernbotschaften greifen auf Ansätze aus der Positiven Psychologie und verwandter Konzepte, wie jenem der „Five Ways to Wellbeing“ (Thompson 2011) zurück. Der Leitfaden der „5 steps to mental wellbeing“ erweitert die oben angeführten Kernaussagen der ABC-Kampagne um einen Fokus auf Achtsamkeit. Es wird zusätzlich die positive Wirkung von Lernerfahrungen und Wissenserwerb für die psychosoziale Gesundheit betont, zudem orientieren sie sich am salutogenetischen Ansatz von Antonovsky und zielen darauf ab, das Kohärenzgefühl zu fördern (Donovan et al. 2021). Im Rahmen der Kampagne wurden diese Ansätze in einfach verständliche, leicht kommunizierbare und handlungsorientierte Aussagen überführt. 

Diese wissenschaftlichen Konzepte, die für die ABC-Kampagne zusammengeführt wurden, waren auch 2008 nicht neu. Neu war jedoch deren Zusammenfassung in einem Handlungsrahmen, der für die breite Bevölkerung verständlich ist und, durch die wissenschaftliche Fundierung, auch von Fachkräften gut rezipiert und umgesetzt werden kann (Donovan et al. 2021).

Zentrale Erfolgselemente der Kampagne in Australien, deren wissenschaftliche Basis und Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, in denen das Konzept adaptiert wurde, werden in der Literatur breit diskutiert (Donovan et al. 2012; Donovan et al. 2021; Meilstrup et al. 2022). Die Kernaussagen daraus bilden die Basis für die Konzeption, Adaption und Implementierung der ABC für psychosoziale Gesundheit junger Menschen in Österreich und werden nachfolgend dargestellt.  

Konzept der Kampagne

Die australische ABC–Kampagne wurde 2008 entwickelt und gilt als eine der ersten bevölkerungsweit umgesetzten, evidenzbasierten Kampagne zur Förderung der psychosozialen Gesundheit (Donovan et al. 2021). Durch die Intervention auf Bevölkerungsebene und die positiven Kernbotschaften soll die Prävalenz von Belastungen, Risikofaktoren und Symptomen in der Gesamtbevölkerung reduziert werden (Thompson 2011).

Vergleichbare Kampagnen wurde in mehreren europäischen Ländern, darunter Dänemark, England, Färöer-Inseln, Island, Norwegen und Schweden, erfolgreich aktualisiert, adaptiert und implementiert (Meilstrup et al. 2022; Thompson 2011). 

Die ABC-Kampagnen verfolgten zwei zentrale Kommunikationsziele: 

  • Individuen und Gruppen sollen dazu animiert werden, das eigene Leben aktiv zu gestalten, um damit das persönliche Wohlbefinden zu steigern. 
  • Institutionen, Organisationen und Entscheidungsträger:innen werden im Schneeballsystem dazu eingeladen, gemeinsam die Rahmenbedingungen für die Stärkung der psychosozialen Gesundheit zu gestalten (Donovan et al. 2021) und Maßnahmen zu unterstützen, die darauf abzielen, soziale und ökonomische Bedingungen zu verbessern, die sich potenziell negativ auf die psychosoziale Gesundheit auswirken (Singh et al. 2022). 

Ersteres wird durch die handlungsorientierte einfache Botschaft der ABC erreicht. Letzteres durch die gemeinschaftsbasierte Methode des „Social Franchising“, dessen Kernelement die Schaffung eines gemeinsamen „Markennamens“ und Rahmens zur Förderung der psychosozialen Gesundheit ist, der von unterschiedlichen Organisationen und Institutionen aufgegriffen und an verschiedensten Standorten adaptiert werden kann (Meilstrup et al. 2022). Beide Elemente und Erkenntnisse zur Wirkung im Rahmen von ABC-Kampagnen, werden im Folgenden kurz dargestellt.

Die Wirkung der Kernbotschaften

Viele Studien zeigen die langfristige positive Wirkung der durch die ABC-Kampagne angesprochenen Faktoren und Ressourcen auf die psychosoziale Gesundheit. 

Der Apell ACT soll zu körperlichen, sozialen, mentalen und kulturellen Aktivitäten animieren: Regelmäßige Aktivitäten zeigen etwa eine positive Wirkung auf die Selbstkompetenzen (Karpinski et al. 2017). Sie fördern Glücksgefühle und Erfolgserlebnisse, Selbstwirksamkeit, das Selbstvertrauen und die mentale und körperliche Vitalität. Zudem wirken Hobbies langfristig positiv zur Reduktion von Einsamkeit und Depressionen (Donovan et al. 2021; Nurminen 2023), sie fördern die Entwicklung des Gehirns in jungen Jahren und beugen Demenz im Alter vor (Donovan et al. 2021).

BELONG spricht die Bedeutung positiver sozialer Beziehungen und der Verbundenheit und Zugehörigkeit für das Wohlbefinden und die psychosoziale Gesundheit an. Soziale Ressourcen und Unterstützung stellen, wie auch spezifisch für junge Menschen herausgearbeitet wurde, einen entscheidenden Schutzfaktor für den Erhalt psychosozialer Gesundheit dar (Bettge/Ravens-Sieberer 2003). Zudem fördern das Erleben positiver sozialer Beziehungen den sozialen Zusammenhalt, Vertrauen, solidarisches Handeln und das Gefühl der Verbundenheit.

COMMIT greift das Bedürfnis nach persönlichen Erfolgserlebnissen und nach Sinnerleben auf. Prosoziales Verhalten, sinnstiftende Aktivitäten, die mit Erfolgserlebnissen und Anerkennung verbunden sind, stehen in einem positiven Zusammenhang mit Resilienz und guter psychosozialer Gesundheit (Karpinski et al. 2017). Sie stärken das Kohärenzgefühl, fördern Selbstwirksamkeit und Sozialkapital und die Fähigkeiten zur aktiven Bewältigung von Herausforderungen (Donovan et al. 2021). 

Die Wirkung der Kampagne

Die einfachen, handlungsorientierten Botschaften sind ein besonderer Erfolgsfaktor der Kampagne. Sie zeigen vielfältige, einfach umsetzbare Möglichkeiten, Aktivitäten zu setzen, die einen Beitrag zur Förderung der (eigenen) psychosozialen Gesundheit leisten. 

Langfristig bessere Resultate zur Förderung des allgemeinen Wohlbefindens zeigen präventiv angesetzte, positive Botschaften an die gesamte Bevölkerung, anstatt akuter Kriseninterventionen für psychisch belastete Personen, deren Bedeutung dadurch jedoch nicht in Frage gestellt werden soll (Colizzi et al. 2020). Erfahrungen aus Dänemark zeigen darüber hinaus, dass die Kampagne einen positiven Beitrag zur Entstigmatisierung von psychischen Belastungen leisten konnte (Meilstrup et al. 2022).

Die Botschaften erleichtern, wie die Erfahrungen unterschiedlicher Länder zeigen, auch intersektorale Kooperationen, indem Organisationen aus unterschiedlichsten Bereichen eingeladen werden, diese mitzutragen. Die Vielfalt einbezogener Organisationen, wie Schulen, Interessensgruppen, Sport-, und Hobby-Vereine und ihrer Aktivitäten macht sichtbar, dass die Förderung der psychosozialen Gesundheit, bei der Schaffung gesunder Lebensbedingungen anfängt. Neben den Kompetenzen zum Erhalt der psychosozialen Gesundheit wird damit auch die Bedeutung der sozialen Determinanten der psychosozialen Gesundheit, etwa des Einkommens, der Wohn- und, Familiensituation, und ihrer Gestaltung kommuniziert (Donovan et al. 2021).

Das Netzwerk von Bündnispartner:innen, das durch die Methode des Social Franchising erreicht wird, schafft zudem die umfangreiche  Basis zur Verbreitung der zentralen Botschaften der Kampagne. Die Offenheit der Kernbotschaften ist für die Bildung dieser Bündnisse entscheidend. Denn die Möglichkeit, selbst Inhalte und Schwerpunkte entlang der Kernbotschaften einzubringen, fördert das Engagement der Trägerorganisationen, auf lokaler Ebene und in der Politik. Das ist eine Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Kampagne (Donovan et al. 2021).

Adaptierung der Elemente von ABC für junge Menschen in Österreich

Die in Österreich lancierte Initiative ABC der psychosozialen Gesundheit junger Menschen, greift die oben beschriebenen Konzepte auf, wobei die Kernbotschaften sprachlich adaptiert wurden, um im deutschsprachigen Kontext zu funktionieren.

  • Achte auf dich. 
  • Bleibe in Kontakt.
  • Check dein Umfeld. 

Zudem werden in Österreich junge Menschen und deren Bezugspersonen in den Fokus der Initiative gestellt. Die Ziele der Initiative ABC der psychosozialen Gesundheit junger Menschen in Österreich sind: 

  • die breite Öffentlichkeit und insbesondere Bezugspersonen junger Menschen, die mit diesen arbeiten oder leben, für psychosoziale Gesundheit zu sensibilisieren und Bewusstsein für die vielfältigen Möglichkeiten zur Stärkung der psychosozialen Gesundheit von jungen Menschen zu vermitteln 
  • zu ermutigen, Maßnahmen zur Verbesserung der psychosozialen Gesundheit junger Menschen zu ergreifen
  • Expert:innen unterschiedlichster Bereiche zu unterstützen, mit einem Netzwerk an Organisationen in Kontakt zu kommen, die zur Förderung der psychosozialen Gesundheit beitragen
  • wirksame und kostengünstige Informationen und Materialien zur Förderung der psychosozialen Gesundheit von jungen Menschen zu bündeln und zugänglich zu machen, um deren Potenzial umfassender nutzen zu können
  • Die Bündnispartner:innen tragen auch zur Erarbeitung eines Aktionsplans zur psychosozialen Gesundheit von jungen Menschen bei. Der Aktionsplan wird durch das Kompetenzzentrum Zukunft Gesundheitsförderung begleitet. Er dient dazu gemeinsam mit Stakeholder:innen, Umsetzer:innen und jungen Menschen bestehende Strategien (v.a. Gesundheitsziele Österreich) weiterzuentwickeln und auszudifferenzieren. Der Aktionsplan soll eine strategische Orientierung geben, die Abstimmung unterschiedlicher Akteur:innen erleichtern und die Umsetzung zentraler, wirksamer Maßnahmen anstoßen.

Vorteil der Fokussierung auf junge Menschen und deren Bezugspersonen ist es, dass Ressourcen und Schutzfaktoren der psychosozialen Gesundheit, die spezifisch für die Altersgruppe junger Menschen relevant sind und settingspezifische Angebote und Tools, etwa für Betreuungseinrichtungen, Schulen, in der außerschulischen Jugendarbeit und Jugendvereine über die Initiative transportiert werden können. Diese werden auf dem WohlfühlPOOL gesammelt und laufend durch Inhalte, Ressourcen und Wissen relevanter Anbieter:innen und Praktiker:innen angereichert. 

Junge Menschen und ihre Bezugspersonen, sowie Expert:innen, die mit jungen Menschen arbeiten, sind erste Ansprechpersonen der Pilotierung der Initiative in Österreich. Wir hoffen, die ABC der psychosozialen Gesundheit, so diese eine positive Wirkung zeigen, auch in Österreich künftig noch in weiteren Settings anwenden und ausprobieren zu können. 

Literatur

  • Bettge, S.; Ravens-Sieberer, U. (2003): [Protective factors for mental health of children and adolescents--empirical results validating a concept]. In: Gesundheitswesen 65/3:167-172
  • Colizzi, M.; Lasalvia, A.; Ruggeri, M. (2020): Prevention and early intervention in youth mental health: is it time for a multidisciplinary and trans-diagnostic model for care? In: Int J Ment Health Syst 14/:23
  • Donovan, Robert J.; James, Ray; Jalleh, Geoffrey; Sidebottom, Colby (2012): Implementing Mental Health Promotion: TheAct–Belong–CommitMentally Healthy WA Campaign in Western Australia. In: International Journal of Mental Health Promotion 8/1:33-33-42
  • Donovan, Robert J.; Koushede, Vibeke J; Drane, Catherine F; Hinrichsen, Carsten; Anwar-McHenry, Julia; Nielsen, Line; Nicholas, Amberlee; Meilstrup, Charlotte; Santini, Ziggi Ivan (2021): Twenty-One Reasons for Implementing the Act-Belong-Commit-'ABCs of Mental Health' Campaign. In: Int J Environ Res Public Health 18/21:
  • Karpinski, N.; Popal, N.; Pluck, J.; Petermann, F.; Lehmkuhl, G. (2017): [Leisure activities, resilience and mental stress in adolescents]. In: Z Kinder Jugendpsychiatr Psychother 45/1:42-48
  • Meilstrup, Charlotte; Koushede, Vibeke; Donovan, Robert J.; Krokstad, Steinar; Mohr, Magni; Hall, Eric; Ivan Santini, Ziggi (2022): The Act-Belong-Commit ‘ABCs of Mental Health’ campaign for mental health promotion. In: Open Access Government 36/1:182-182-183
  • Nurminen, Minna; Stepanova, Elena; Casabianca, Elizabeth; (2023): Policy considerations for loneliness interventions. JRC133369. Hg. v. Commission, European, Brussles
  • Singh, V.; Kumar, A.; Gupta, S. (2022): Mental Health Prevention and Promotion-A Narrative Review. In: Front Psychiatry 13/:898009
  • Thompson, Jody Aked; Sam (2011): Five Ways to Wellbeing. New applications, new ways of thinking. Hg. v. Foundation, New Economics, London

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